Szenische Lesung

Boris Randzio und Felix Strasser lesen Nilpferdgeschichten und andere Protzenornamente von Paul Scheerbart

Paul Carl Wilhelm Scheerbart wurde am 8. Januar 1863 in Danzig (Gdańsk) geboren. Ab 1887 lebte er als Dichter in Berlin, wo er in allen literarischen Zirkeln verkehrte. Zu seinem Bekanntenkreis zählten Ernst Rowohlt, Walter Mehring, Richard Dehmel, Otto Julius Bierbaum, Erich Mühsam, O. E. Hartleben, Else Lasker-Schüler, Christian Morgenstern und viele andere.
Paul Scheerbart ist der Begründer der deutschsprachigen Phantastik, der Urheber des Begriffs Expressionismus, Verfechter des einfachen Theaters, verfasste lange vor den Dadaisten und Surrealisten Lautgedichte und versuchte, das Perpetuum mobile zu erfinden. Sein Schaffen beeinflusste die gesamte moderne Literatur (zu seinen größten Bewunderern gehörte Walter Benjamin), seine Theaterarbeiten wurden von Alfred Jarry aufgegriffen, seine architektonischen Ideen prägten junge Architekten wie Bruno Taut und gingen später ins Bauhaus ein.
Scheerbart starb am 15. Oktober 1915 in Berlin an Entkräftung, da er als überzeugter Pazifist aus Protest gegen den ersten Weltkrieg die Nahrungsaufnahme verweigert hatte.

Ich denke an eine öffentliche Vorlesung, die er aus seinen Werken halten sollte. Er las brillant, aber plötzlich übermannte ihn sein eigener Humor. Er fing zu wackeln an, er fing zu prusten an, und dann brach das Lachen mit einer solchen Urgewalt hervor, daß an kein Lesen mehr zu denken war. Da stand ein deutscher Dichter auf dem Podium und lachte, schüttelte sich, brüllte vor Lachen, und der ganze Zuhörerraum war angesteckt von dem lachenden Dichter, bog sich und krähte.
Die Zeit wird kommen, die Scheerbarts Lachen wieder lernen wird, das große und befreiende Lachen, das aus dem weiten glücklichen Weltall stammt, wo es keine Not und keine Kriege gibt.
(Erich Mühsam: Unpolitische Erinnerungen, Hamburg 2000)